Vor wenigen Wochen wurde die Kiezkneipe Syndicat im Neuköllner Schillerkiez unter großem Polizeiaufgebot geräumt. Heute morgen (09.10.20) war es das Hausprojekt in der Liebigstraße 34. In den letzten Tagen wurde viel dazu geschrieben, Mich haben die zum Teil rigorosen Forderungen nach Räumung der Liebig34 ebenso schockiert, wie die zum Teil undifferenzierten Artikel in der Presse dazu.
Wer schon einmal auf einer meiner Führungen gewesen ist weiß, dass ich mich viel mit der Entwicklung der Stadt beschäftige. Vor allem versuche ich den Blick dafür zu schärfen, wie wichtig es ist, die noch existierenden kulturellen Freiräume in Berlin zu schützen.
Großinvestor, kein privater Vermieter
Es wurde zwar viel über die anstehende Räumung berichtet, wenig allerdings über den Besitzer der dahinter steckt.
Hier agieren keine kleinen Vermieter*innen, die sich ein Haus für die Altersvorsorge gekauft haben, sondern internationale Großkonzerne, die sich darauf spezialisiert haben Immobilien zu kaufen und dann mit maximalem Profit zu verwerten.
Hinter der Liebstraße 34 steckt die Unternehmensgruppe Padovicz, die in Berlin rund 2000 Häuser besitzt und die stadtbekannt für die gesamte Klaviatur der üblichen Verdrängungspraktiken ist. Warum alleine der Kauf des Hauses schon problematisch war und die Bewohner*innen das auch gerne selbst gemacht hätten, könnt ihr hier nachlesen.
Darüber hinaus ist Padovicz vor allem dafür berüchtigt, linke Hausprojekte oder Immobilien mit subkultureller Nutzung wie Clubs zu kaufen oder an die AfD zu vermieten.
Ihm gehört das Areal auf dem sich die Rummelburger Bucht befindet. Dort wurde die angesiedelte Subkultur verdrängt um unter Anderem Platz für ein Aquarium zu machen. Alternative Nutzungskonzept von der Initiative Bucht für Alle verhallten ungehört, in der mehr kulturelle Nutzung gefordert wurde. (Mehr dazu in meinem Blodartikel “Kulturelle Freiräume werden kleiner” aus dem letzten Jahr).
Ihm gehören auch die Häuser in denen das Watergate und die Wilde Renate zu Hause sind, im Jahr 2018 die Mieten verdoppelt wurden.
Problem ist das fehlende Gewerbemietrecht
Die Praktiken sind möglich, weil es kein Gewerbemietrecht gibt, dass seinen Namen verdienen würde. Während es im Wohnrecht zwar auch Probleme gibt, existiert zumindest ein minimaler Schutz für Mieter*innen. Bei Gewerbe ist das nicht der Fall. Sobald ein Gewerbemietvertrag ausläuft (weshalb sie meistens nur auf drei Jahre geschlossen werden), kann die neue Miete beliebig hoch festgelegt werden.
Das Problem ist hinlänglich bekannt und führt dazu, dass sich in bestimmten Gegenden nur noch große Unternehmen die Mieten leisten können.
Die Liste der so verdrängten oder von Verdrängung bedrohten Orte ist lang. Sie reicht ganz aktuell vom Buchladen Kisch & Co. der ngBk und dem Werkbundarchiv in der Oranienstraße, über Ateliers, Spätis oder auch familienbetriebene Bäckereien wie das Filou. Letztere konnten 2017 nach zahlreichen Protesten einen fairen Modellvertrag erhalten. Vereinfacht ausgedrückt sollen Mietverträge sich automatisch verlängern und maximal um 10% in fünf Jahren steigen dürfen. Er könnte als Blaupause für eine Reform des Gewerbemietrechts gelten und allen Beteiligten Sicherheit geben. Ohne entsprechende Regeln führt es langfristig dazu, dass die Innenstadtbereiche in den großen Metropolen alle gleich aussehen und dieselben Geschäfte haben – nämlich die Franchises, die sich die Miete noch leisten können.
Das Problem der Gewerbemietverträge trifft pikanterweise auch auf das Wohnhaus in der Liebigstraße zu. Der Verein hat dort nämlich den Pachtvertrag abgeschlossen und als der 2018 auslief wurde er einfach nicht verlängert. Sämtliche Gespräche mit Padovicz scheiterten, weil er an keinen Gesprächen interessiert ist.
Wenn ihr euch mehr über Padovicz und seine Immobilien informieren wollt, oder selbst betroffen seid, findet ihr bei Padowatch eine gute Übersicht.
Wie soll die Stadt aussehen in der wir leben wollen?
Man muss Hausbesetzungen selbst und das Projekt insbesondere gar nicht unterstützen, um zu verstehen, dass hier etwas ganz grundsätzlich schief läuft.
Dass es ein queer feministisches Hausprojekt ist und für die Bewohner*innen vor allem auch einen Safe Space bietet, kommt noch erschwerend hinzu.
Die große Frage die wir uns stellen sollten ist, in was für einer Stadt wir leben wollen. Ist es die Stadt für das Großkapital dem sämtliche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden? Oder ist es eine die versucht auch gewachsene Strukturen zu berücksichtigen und der für Berlin so wichtigen Subkultur weiterhin Freiräume zu sichern? Und vor allem eine die auch kleinen Gewerben ausreichend Schutz und damit eine Sicherung der eigenen Existenz bieten kann.
Die mangelnde Gesprächsbereitschaft zeigt immer wieder, dass es vielen großen Konzernen nicht um Verhandlung, sondern um radikale Umgestaltung zu ihren (finanziellen) Gunsten geht.
Heute wurde besonders deutlich, dass die Freiräume in Berlin immer kleiner werden und vor allem die Interessen von großen Immobilienkonzernen vertreten werden. Gegen diese kleiner werdenden Räume richtet sich ein Großteil des Protests.
Solange Unternehmen wie Padovicz und Konsorten Berlin als ihren Spielplatz ansehen, um maximale Profite aus der Stadt zu quetschen ohne auf die Bewohner*innen rücksicht zu nehmen, wird das auch weiterhin Probleme bedeuten.