Kreuzberg hat in der vergangenen Woche das inoffizielle Wahrzeichen des Wrangelkiezes verloren – vom Künstler selbst (oder Personen aus seinem Umfeld) übermalt.
Das kapitalismuskritische Werk des Künstlers Blu von 2008, zeigte eine kopflose Person die an ihren goldenen Uhren mit goldener Kette gefesselt ist. Ein zweites Bild, in welchem zwei Personen der jeweils anderen die Maske vom Gesicht ziehen. Die eine formt dabei mit der Hand ein „W“ für West und die andere ein „E“ für East. Die Augen der Originalversion stammen vom Künstler JR und sind nach deren Abwitterung durch eine neue Version von Blu ersetzt worden. Oben rechts prangte der Spruch: „Reclaim your city“.
Dies ganze geschieht auf einem Platz, der als die letzte große Freifläche des Bezirks gilt. In den 90er-Jahren verhinderte der grün regierte Bezirk dort ein bereits beschlossenes Einkaufszentrum zu errichten. Woraufhin ihm der Senat wegen besonderer städtebaulicher Bedeutung die Zuständigkeit entzog. Eine geplante Zwischennutzung des BMW geförderte Guggenheim-Labs, wurde mit der Errichtung eines Protestcamps quittiert. Dieses vollzog sich durch den Zuzug der ersten Obdachlosen, aber auch einiger Künstler.
Artur Süsskind
Nach dem Verkauf des Geländes an den Münchner Investor Artur Süsskind 2011 passierte nichts. Bis auf die mittlerweile stattliche Anzahl an Holzhütten, aber auch der Zunahme von Problemen auf dem Gelände. Seinem Antrag auf Räumung kam ein Feuer auf der Brache zuvor. Das Gebiet sollte mit Wohnungen im höheren preislichen Segment, aber auch eine Kita und ein Supermarkt sollten entstehen.
Auch an der angrenzenden Schlesischen Straße gestaltet sich die Situation ähnlich. Nach dem Verkauf an einen ausländischen Spekulanten stieg die Kaltmiete für Ladengeschäfte von 18 € auf 45 € pro Quadratmeter. Statt günstigem Wohnraum und Ateliers, wird es hier nun bald Büroräume und Tiefgaragen und verteuerte Mieten geben.
Übermalen des Graffitis
Das Übermalen des Graffitis nun wirft einige Fragen auf. Ein Statement legt nahe, dass der Künstler sich zu diesem Schritt entschlossen hat, um eine Aufwertung des Geländes durch seine Kunst entgegenzuwirken. Ebenfalls ein Statement auf seiner eigenen Seite untermauert diese Sichtweise.
Die Statements in den Foren stellen auch die Frage über den allgemeinen Umgang mit Graffitis. Sind sie immer temporär, oder gehören einige von ihnen so untrennbar zum Stadtbild, dass sie Denkmalschutz verdienen? So wurde es in einer Petition kurz vor der Übermalung von Blus Werk für genau dieses Werk angeregt. In diesem Fall war der Künstler schneller.
Graffiti als Kunstform ist mittlerweile etabliert, was im Falle von Banksy bereits zum Entfernen ganzer Mauerstücke geführt hat. Da diese einen hohen Marktwert haben dürften. Sicherlich auch etwas, was in der Form vom Künstler nicht intendiert war. Man darf gespannt sein, wie der Umgang mit Graffiti in Zeiten von Urban Art Messen in Zukunft gehandhabt wird.
In vorliegendem Fall wird sich vermutlich kaum jemand darüber freuen, dass Berlin eine Postkartenikone verliert.
Aus Blu’s Sicht bleibt zwischenzeitlich noch der Mittelfinger, mittlerweile nur noch „your city“ – die entsteht ab Frühjahr 2015 auf genau diesem Platz. Das Unternehmen welches die Künstler hinausgeworfen hat, wirbt dafür mit dem Slogan „be part of creative Berlin“.
© www.ekvidi.net (Bild 1 bis 3), Marc Honninger (Bild 4)